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„Mit jedem redest du anders“

DO, 27.01.2022

Das ist der Titel einer Lektüre, die ich als Lehrerin gern mit meinen Schülern gelesen habe. In dem genannten Lesestoff ist es ein Sohn, der seinen Vater darauf anspricht: dass dieser mit seiner Frau, mit ihm, mit der Hausmeisterin im Stiegenhaus, mit dem Freund des Vaters und mit dem kleinen Geschwisterchen, das noch ein Baby ist, jeweils anders redet.
Dieses Phänomen, dass wir Sprache, Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit zusammen mit Mimik und Gestik je nach Gesprächspartner verändern bzw. diesem anpassen, ist allgegenwärtig und ganz normal. Das bedeutet nicht, dass wir uns verstellen, nicht authentisch sind. Das hängt unter anderem mit den Spiegelneuronen zusammen und ist von der Natur so eingerichtet. Diese Besonderheit dient – vereinfacht ausgedrückt – der besseren Verständigung untereinander.

Sprechen wir mit einem Baby oder Kleinkind, wird unsere Stimme fast automatisch weicher und die Tonlage höher. Die meisten kleinen Kinder scheinen das zu mögen, auch deshalb, weil Babys hohe Töne besser wahrnehmen können als tiefe. Viele Erwachsene – aber auch Kinder – verwenden gegenüber Babys und kleinen Kindern verniedlicht ausgesprochene Wörter, wie zum Beispiel „Bettchen“, „Topfi“, „Täubelein“, aber auch stark vereinfachte Sätze, langsam ausgesprochen und gut artikuliert. Die „niedliche Sprache“ wird von uns als eine Art Liebesbotschaft verwendet, und sie wird wohl auch so verstanden, das haben wissenschaftliche Messungen ergeben. Nicht umsonst sprechen verliebte Paare in der Anfangsphase gern in der „Baby-Sprache“ mit vielen Kosewörtern und in weichem Ton miteinander.

Doch sobald Kinder aus dem Krabbel- und Kleinkindalter heraus sind, also ab ca drei Jahren, wollen sie sich von der Babysprache distanzieren. Das habe ich im Kindergarten immer wieder aufgeschnappt („das ist ja babysch“). Als Großmutter musste ich das auch erfahren, als meine Enkelin sich über die „Täubelein“ lustig gemacht hat und mich belehrt hat, dass es ja „Taube“ heißt. Ein Jahr früher wusste die Enkelin auch schon, dass es Taube heißt, hatte aber noch Spaß daran, mit mir die „Täubelein“ zu jagen. Jetzt wusste ich Bescheid, dass mit der Verniedlichung Schluss sein muss.

Soll man also mit Kleinkindern in der Babysprache sprechen? Da gehen die Meinungen auseinander:

  • Gerade in den ersten zwei Jahren sprechen die meisten Eltern in ihrer ganz eigenen Babysprache mit ihrem Kind. Das ist ganz normal und total in Ordnung, sagen die einen. In den ersten Monaten zumindest.
  • Laut wissenschaftlichen Untersuchungen und Aussagen von z. B. der Logopädin Elisabeth Haider sollen Eltern mit ihren Babys vorrangig bereits in langen, komplexen Sätzen reden.
    Das soll sich positiv auf den späteren Wortschatz auswirken. Einige Kinder hören schon im ersten und zweiten Lebensjahr täglich mehr als 10.000 Wörter von ihren Eltern. Bei anderen sind es nur knapp 700. Der Unterschied hat große Auswirkungen, nicht nur auf die Intelligenz, den schulischen Erfolg und die späteren Berufsaussichten. Auch im Erlebnisbereich ist es von Vorteil, ein großes Repertoire an sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten für, zum Beispiel, die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche zu haben.

Auf jeden Fall aber sollte der Baby-Wortschatz wie „heia machen“ statt schlafen gehen, „dada“ statt spazieren gehen nach einem Jahr bis spätestens eineinhalb Jahren aus unserem Sprachrepertoire verbannt werden, so die Experten. Dann sollten wir nicht mehr das kindliche Sprechen nachahmen und Wörter allzu babyhaft aussprechen. Denn wie soll das Kind Wörter richtig lernen und selbst nutzen, wenn wir sie falsch vorsagen?

Wenn das Kleinkind Wörter noch nicht richtig aussprechen kann oder Ersatzwörter verwendet, könnten wir das Gesagte aufgreifen, aber mit den richtig ausgesprochenen Wörtern, langsam und verständlich, z. B.: Wenn das Kind fragt: „Titi dada?“ Dann könnten wir sagen: „Ja dein Auto darf auch mitkommen“, oder mit einbeziehend: „Ja dein titi Auto darf auch dada mitfahren“. Das Gleiche gilt bei grammatikalischen Fehlern. Wir sollen die Kinder aber nicht kritisieren oder ausbessern, das würde sie persönlich kränken. Indem wir den Satz aufgreifen und dabei richtig formulieren, erfahren die Kinder liebevoll die „Korrektur“.

Neben einer altersangemessen Sprache spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, was die Qualität der Kommunikation mit unseren (Enkel-)Kindern betrifft. Einiges darüber demnächst. Nur so viel vorweg: die freundliche, wertschätzende Zugewandtheit dürfte dabei eine Zauberformel für gute, gelungene Kommunikation sein…nicht nur bei den Babys 😉

Verfasst von Maria aus Meidling, 65, pensionierte Heilpädagogin, verheiratet, Mutter einer Tochter und Großmutter von 2 Enkeltöchtern

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