Der lange Weg zum Studium
Als ich zum ersten Mal im Audimax, dem größten Hörsaal an der Universität Wien, saß und von 700 anderen Studierenden umgeben war, fühlte ich mich sehr klein und verloren. Die Angst überkam mich und das Atmen fiel mir schwer. Es war nicht nur die Menge an Menschen, sondern auch all jene Herausforderungen auf dem Weg hierher sowie das Bewusstsein darüber, dass dies erst der Anfang ist.
Drei Jahre hatte ich dafür gekämpft, diesen Platz zu bekommen. Zwei davon verbrachte ich im Iran, gefangen in einem Labyrinth aus Bürokratie, immer wieder konfrontiert mit Misserfolgen, die meine Auswanderung fast unmöglich machten. Als ich schließlich in Wien ankam, begann der nächste schwierige Abschnitt. Ich hatte große Schwierigkeiten mit meinen Deutsch- und Englischkenntnissen. Diese Sprachbarrieren führten zu vielen unvorhergesehenen Problemen und Missverständnissen. Es war schwer, die notwendigen Informationen zu finden, da viele Ressourcen nur auf Deutsch verfügbar waren. Einige Leute sagten mir, ich hätte alles online finden können, aber mit meinem begrenzten Sprachverständnis war das nicht so einfach. Besonders die komplexe und konkrete deutsche Sprache machte es schwerer. Ich war mir bewusst, dass es meine Verantwortung war, meine Sprachkenntnisse zu verbessern, aber das brauchte Zeit.
In der Zwischenzeit gab es viele Momente, die mich an meinem Ziel zweifeln ließen. Ich hatte keine Erfahrung mit dem europäischen System und der Bürokratie und wusste oft nicht, an wen ich mich wenden sollte. Einmal musste ich sogar Strafe zahlen, weil ich wichtige Informationen verpasst hatte, und fast hätte ich mein Visum verloren.
Ankommen an der Universität
Endlich an der Uni Wien! Alles war so anders als an der Uni im Iran, wo wir nur 30 Personen waren und nach den Vorlesungen zusammen Kaffee trinken gegangen sind. Hier war ich plötzlich ein kleiner Fisch in einem riesigen Meer von Menschen. Dank einer netten Kollegin, die immer neben mir gesessen war, musste ich keine Mitschriften schreiben, da ich selbst kaum etwas verstehen konnte. Während die Vorlesungen für mich einfacher waren, weil ich nicht sprechen musste, waren die Übungen und Tutorien ein Albtraum. Besonders erinnere ich mich an mein erstes Tutorium im Fach MEKO (Medien- und kommunikationstheoretische Grundlagen). Ich fühlte mich wie erstarrt, unfähig, zu kommunizieren. Es war, als hätte mir jemand den Mund verbunden. Diese Sprachlosigkeit war das Schlimmste für mich.
Unterstützung und persönliches Wachstum
Im Tutorium hatten wir eine ganz wunderbare Iranerin als Tutorin. Es war wirklich ermutigend zu sehen, dass eine Iranerin an der Universität arbeitet. Heute kann ich sagen, dass ich diese Erfahrung nicht missen möchte, denn sie hat mich stärker gemacht und mich sehr motiviert. Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich inzwischen selbst als Tutorin arbeite und anderen Studierenden helfen kann. Mit der Zeit habe ich gute Menschen kennengelernt und Unterstützung an der Universität gefunden – wie beim CTL (Center for Teaching and Learning), das mir enorm geholfen hat.
An der Universität gibt es viele Stellen, die bereit sind, zu unterstützen. Man muss nur die Augen offen halten, den Mut haben, offen zu kommunizieren und sich zu vernetzen. Als Migrant*in in einer neuen Welt ist es wichtig, Schritt für Schritt voranzugehen, egal wie langsam – und nie aufzuhören, Neues zu entdecken. Diese Reise war alles andere als einfach. Aber sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, für seine Ziele zu kämpfen und nie aufzugeben, egal wie groß die Herausforderungen sind.
Meine Reise an der Universität Wien ist noch nicht zu Ende, aber wenn ich jetzt Angst habe, denke ich immer an diesen ersten Tag im Tutorium zurück. Diese Ängste haben mich stärker gemacht und mir gezeigt, was ich wirklich brauche und wofür es sich zu kämpfen lohnt.
"Ich bin Shakiba, eine leidenschaftliche Bloggerin aus dem Iran, die seit 2016 alleine in Wien lebt und sich hier ein neues Leben aufbaut. Als neugierige Master-Studentin für Publizistik und Kommunikationswissenschaft schreibe ich neben meinem Studium und meiner Arbeit über meine Erlebnisse in meiner neuen Heimat. Meine Blogbeiträge fokussieren sich auf kulturelle Vielfalt, Integration und die alltäglichen Abenteuer des Lebens in Wien. Mit meinen Texten möchte ich Brücken zwischen verschiedenen Kulturen schlagen und meine Leser*innen auf eine Reise durch meine persönlichen Erfahrungen mitnehmen."
Foto: StockSnap/Pixabay. Symbolfoto.