zurück

Wenn 4 Schnäbel auf 4 Ohren treffen…

DO, 03.03.2022

Kommunikation scheint doch ganz einfach zu sein: Ich sage etwas und du nimmst es auf. Und doch kann es auch bei scheinbar harmlosen Aussagen zu heftigem Streit oder quälenden Missverständnissen kommen.

Warum das so ist, möchte ich anhand des 4-Seiten-Modells der Kommunikation* etwas beleuchten. Es geht davon aus, dass ein Sprecher mit „4 Schnäbeln“ auf ein Gegenüber mit „4 Ohren“ trifft. Dem Modell nach beinhaltet eine Äußerung vier Botschaften:

  1. eine Sachbotschaft
  2. eine Selbstkundgabe: über das Gesagte offenbart der Sprecher – gewollt oder unfreiwillig – auch etwas über sich selbst, zB. über seine Gefühle oder Bedürfnisse
  3. eine Beziehungsbotschaft: dabei wird auch – meist indirekt – ausgedrückt, wie der Sender zum Empfänger steht
  4. einen Appell: der Appell-Schnabel sendet eine offene oder stille Aufforderung aus

Ein Beispiel: Eine Mutter sagt zu ihrem Volksschulkind: „Dein Zimmer ist noch immer nicht aufgeräumt!“ Aus der Sicht der Mutter heißt das übersetzt auf der Sachebene etwa so: „Dein Zimmer ist ein Schlachtfeld!“ Indirekt sagt die Mutter über sich: „Ich bin genervt!“ (Selbstkundgabe). „Du hast mich enttäuscht“, oder auch „Du warst mir gegenüber unfolgsam“, könnte der unausgesprochene Beziehungshinweis sein. Je nach Tonfall und Mimik könnte eher das eine oder das andere ausgedrückt worden sein. „Räum dein Zimmer auf!“ ist der Appell.

Das Kind muss nun das Gesagte verarbeiten und die Botschaften entschlüsseln:

  • Worüber spricht die Mutter? Mein Zimmer ist unaufgeräumt. Stimmt.
  • Wie ist die Mama drauf? Ist sie deshalb genervt? Wütend? Traurig?
  • Bin ich schuld, dass es ihr deswegen nicht gut geht? Hat die Mama mich nicht mehr lieb?
  • Hab ich die Wahl, aufzuräumen oder ist es ein Befehl oder gar eine Drohung? Was will Mama von mir? Dass ich sofort aufräume? Später? Mit ihr?

Hier zeigt sich schon, welch komplizierte Aufgabe die vier Kinder-“Ohren“ dabei haben, und welches Gewicht dem Beziehungsbotschafts-Schnabel bzw. -Ohr gerade bei kleineren Kindern zukommt! Die schwedische Erziehungsexpertin Petra Krantz Lindgren erklärt, dass man allein durch die Art, wie man mit seinem Kind spricht, dessen Selbstwertgefühl stärken – und leider auch untergraben – kann.

Auf dem Beziehungsohr „hört“ der Empfänger, ob er durch die eingehende Info entweder wertgeschätzt oder nicht respektiert oder sogar gedemütigt wurde. Je nachdem, wie das Kind die Aussage der Mutter interpretiert, kann es zu ganz unterschiedlichen, mitunter auch zu scheinbar unlogischen, Reaktionen kommen: „Ach, soll es doch unaufgeräumt bleiben…“ oder „Ich geh ja schon.“ Oder „Muss das jetzt sein?“ Oder „Hilfst du mir später beim Aufräumen?“ …

Um Missverständnisse zu vermeiden und das Kind nicht zu verwirren, ist also Klartext in unserer Aussage und Formulierung sehr wichtig! Inhalt, Körpersprache und speziell der Gesichtsausdruck sollten übereinstimmen. Blickkontakt, das Kind mit Namen ansprechen, wertschätzende Wortwahl sind auch hilfreich. Aufforderungen, zum Beispiel zum Aufräumen, sollen dabei nicht in Form von Fragen, formuliert werden: „Wollen wir jetzt mal aufräumen?“ wird vom Kind nicht als sanfte Aufforderung verstanden. Kinder kennen  keine rhetorischen Fragen. Daher kann durchaus ein „Nein“ des Kindes zur Antwort kommen. Auch Bitten sind in diesem Fall nicht zielführend und angebracht. Ein freundliches, aber klares „Emil, räum dein Zimmer auf – jetzt / bis dann und dann / wenn du Hilfe brauchst, ruf mich…“ werden vom Kind verstanden und normalerweise akzeptiert.

Aber mehr davon im nächsten Blog zur gewaltfreien Kommunikation.

*Ausführlich beschreibt der Kommunikations-Psychologe Friedemann Schulz von Thun dieses Modell in seinem Buch „Miteinander Reden“, Band 1. – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt, Reinbek 1981

Verfasst von Maria aus Meidling, 65, pensionierte Heilpädagogin, verheiratet, Mutter einer Tochter und Großmutter von 2 Enkeltöchtern

Haben Sie Fragen?

Schreiben Sie uns!