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Wie gelingt die Mitarbeit des Kindes ohne Schimpfen?

DI, 23.02.2021

Ich will ein Beispiel geben: Das Kind reagiert nicht auf unsere Aufforderung zum abendlichen Zähneputzen. Es kommt nicht, oder sagt “nein”. Wenn wir gestresst und genervt sind, nehmen wir die kindliche Verweigerung eher persönlich und reagieren vermutlich mit einem dikatorischen Befehl, werden lauter, und wenn das Ganze länger dauert, stellen wir womöglich eine Strafe in Aussicht. Wenn wir uns in so einer Situation befinden, sollten wir erkennen, dass wir uns wieder mehr um unsere seelische Ausgeglichenheit kümmern müssen: Unwichtiges weglassen, sich helfen lassen, wenn möglich delegieren, entspannen, zumindest tief durchatmen…

Wären wir entspannt, könnten wir die Nähe des Kindes suchen und schauen, was Sache ist. Wenn wir dabei herausfinden, dass das Kind in ein Buch vertieft ist, könnten wir vorschlagen: “Wir schauen das Buch noch gemeinsam an, und dann gehen wir Zähne putzen.” Oder wenn das Kind noch am Spielen ist: „Willst du dir ein Spielzeug zum Zähneputzen mitnehmen?“ Oder wir könnten einfach fragen: „Möchtest du heute mit der elektrischen Zahnbürste oder mit deiner roten Handzahnbürste putzen?“ „Soll ich dir die Zähne putzen oder möchtest du selbst?“. So geben wir unserem Kind wieder ein Stück Autonomie zurück. Kleine Freiheiten, die wir dem Kind zugestehen, können Großes bewirken. Und es ist allemal liebevoller als schimpfen und drohen. Das gewünschte Ergebnis stellt sich eher ein. Kind und Erwachsener befinden sich in einer Win-Win-Situation. Wenn es trotzdem wieder passiert ist, dass wir explodieren, dann ist es nur fair, dass wir uns bei unserem Kind/Enkelkind entschuldigen. “Es tut mir leid, dass ich laut geworden bin. Ich wollte das nicht. Mein Tag ist heute schon lang und anstrengend gewesen. Bitte verzeih mir!” So weiß das Kind, es ist nicht schuld daran, wie es gelaufen ist. Wenn wir Fehler eingestehen, nimmt das auch nichts von unserer Autorität, im Gegenteil, wir sind dem Kind ein Vorbild, wie gutes Zusammenleben funktionieren kann.

Wenn wir gut für uns selbst sorgen, das heißt, darauf schauen, dass wir nicht in einen Stress geraten, der uns “außer sich” sein lässt, haben wir selbst mehr Handlungsspielraum und können mit Konflikten kreativer umgehen. Denn: unsere Kinder wollen im Grunde kooperieren, sie wollen unsere Liebe und Zustimmung. Sie wissen auch, dass wir am längeren Ast sitzen und sie auf uns angewiesen sind.

Um unseren Kindern aber das Gefühl zu geben, dass wir sie lieben, und dass sie liebenswert sind, sollten wir darauf verzichten, diese überlegene Position auszuspielen. Das Motto heißt hier: kindliches Mitspracherecht in bestimmten Grenzen statt diktatorischem Befehl. Dass am Ende die Zähne geputzt werden, muss aber klar sein.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Langfristig gute Beziehungen gelingen nicht über Macht – also schimpfen, drohen und strafen, und schon gar nicht über körperliche Gewalt, die aus gutem Grund verboten ist – sondern über achtsames Miteinander in Liebe und gegenseitigem Respekt. Es ist nie zu spät, damit anzufangen!

Weiterführende Lektüre zB. „Erziehen ohne Schimpfen“ von Nicola Schmidt und/oder Bücher von Jesper Juul, ein international bekannter, dänischer Familientherapeut und Autor

Verfasst von Maria aus Meidling, 65, pensionierte Heilpädagogin, verheiratet, Mutter einer Tochter und Großmutter von 2 Enkeltöchtern

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